Der Kampf gegen Vorurteile
aus der Celleschen Zeitung
Zum Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember 2014 veröffentlichte die Cellesche Zeitung den nebenstehenden Artikel über die Lebenssituation zweier HIV-infizierter Frauen. Der Wortlaut des Artikels:
Der Kampf gegen Vorurteile
Welt-Aids-Tag: Zwei betroffene Cellerinnen erzählen von ihren Erfahrungen
HIV positiv: Die Nachricht ist für Betroffene ein schwerer Schlag. Heute hat diese Infektion eine andere Bedeutung als noch vor einigen Jahren. HIV ist medizinisch behandelbar und die meisten Erkrankten führen ein normales Leben. Zum heutigen Welt-Aids-Tag erzählen zwei betroffene Frauen von ihren Erfahrungen.
CELLE. Zwei Frauen, zwei Generationen: Marika S. ist 54, Sylvia H. ist 34 Jahre alt. Beide sitzen locker bei einer Tasse Kaffee, unterhalten sich, lachen. Und beide haben eins gemeinsam: Sie sind HIV positiv. Sie haben den Mut, sich zum heutigen Welt-Aids-Tag zu outen. Im Gegensatz zu vielen anderen, die betroffen sind.
Die Geschichten der beiden Frauen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. Marika S., die seit 25 Jahren mit dem Virus lebt, bekennt offen: „Ich gehöre zur Risikogruppe. Ich war drogenabhängig, wir haben uns oft mit mehreren Leuten eine Spritze geteilt, ohne sie richtig zu säubern.“ Ihr Mann sei ernsthaft erkrankt, das habe bei ihr zum Lebenswandel geführt.
Sylvia H. dagegen traf es vor neun Jahren wie aus heiterem Himmel. „Als mir der Arzt die Diagnose mitgeteilt hat, habe ich ihn gefragt, ob er mich verarschen will“, erzählt sie. Sie wurde ohne ihr Wissen getestet, als sie schwanger war. Wo sie sich infiziert hat, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. „Mein Arzt vermutet, dass das Virus über eine verschmutzte Nadel beim Blutabnehmen übertragen wurde. Aber beweisen lässt sich das natürlich nicht.“
Während sich Marika S. von Beginn an offen zu ihrer Krankheit bekannt hat, fiel Sylvia H. in eine tiefe Depression. „Ich habe mich total abgekapselt, bin nur noch nach draußen gegangen, wenn es gar nicht mehr anders ging. Auch bei meiner Familie fand ich keinen Rückhalt.“ Ihr Baby hat sie aus dem Tief geholt. „Meine Tochter war gesund, das war das Wichtigste.“
Ulrich Mennecke, Diplom-Pädagoge bei der Celler Beratungsstelle der niedersächsischen Aids-Hilfe an der Hannoverschen Heerstraße 12, erzählt, dass sich seit 1996 die medikamentöse Behandlung erheblich verbessert hat. „Vorher war die Prognose für Infizierte fünf bis höchstens sieben Jahre, heute kann ein Erkrankter ohne Probleme ein ganz normales Alter erreichen.“ Weltweit seien 38 Millionen Menschen HIV positiv, aber nur jeder Zweite habe problemlosen Zugriff auf die entsprechenden Medikamente. „Im Jahr 2013 gab es in Deutschland 3200 neu Erkrankte, das ist ein Anstieg von 10 Prozent“, erklärt Mennecke. Aber im Bewusstsein der Menschen werden HIV und Aids immer noch verdrängt. „Man muss sich da ja auch mit der eigenen Sexualität auseinandersetzen, da tun sich die meisten immer noch sehr schwer.“ Und nach wie vor gebe es ganz viel Vorurteile.
Davon wissen auch die beiden Betroffenen zu berichten. „Ich bin inzwischen sehr direkt“, sagt Sylvia H. „Und häufig wenden sich die Menschen dann ganz schnell von mir ab.“ Und auch Marika S. bekennt: „Hier in Celle sind die Leute noch sehr konservativ. Da wird man schon häufiger ignoriert. Aber es kann jeden treffen, das sollte man sich klar machen.“
Die Frauen haben gelernt, mit ihrer Krankheit zu leben. Ihnen geht es nun um die Aufklärung. „Es gibt immer noch Menschen, die glauben, sie dürfen uns noch nicht einmal die Hand geben“, sagt S. Aber eine Ansteckung sei im täglichen Umgang miteinander praktisch unmöglich.
Jürgen Poestges
Infoline Celle
“Infoline“ heißt die Celler Beratungsstelle der niedersächsischen Aids-Hilfe. Sie hat ihren Sitz an der Hannoverschen Heerstraße 12. Geleitet wird sie von Diplom-Pädagoge Ulrich Mennecke. Fragen zu Übertragungswegen von HIV, zu Schutzmöglichkeiten oder zum Test im vertraulichen Rahmen. Sprechzeiten und Beratung nach Vereinbarung möglich.
Tel. 0177-3947472.
E-Mail: info@celle-aidshilfe.de
Internet: www.celle-aidshilfe.de
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Celleschen Zeitung)
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