Das alte Bild von Aids verfolgt uns
Artikel in der Celleschen Zeitung vom 19.04.2017
Rund 200 Infektionen in Niedersachsen pro Jahr / Neue Broschüre über Leben mit HIV
HANNOVER. Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt warnt davor, mit dem HI-Virus infizierte Menschen auszugrenzen. „Neuinfektionen lassen sich nur dann verhindern, wenn es uns gelingt, die nach wie vor berechtigte Furcht vor Diskriminierung durch ein möglicherweise positives Testergebnis ad absurdum zu führen“, sagt die SPD-Politikerin. In Niedersachsen gibt es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts immer noch rund 200 Neuinfektionen mit dem HI-Virus pro Jahr. Das Virus führt zu Immunschwäche. Das Endstadium der Krankheit ist als Aids bekannt. Therapierte Menschen können aber lange mit dem Virus leben. Von 2000 bis 2005 hatte sich die Zahl der Neuinfektionen von 100 auf 200 Fälle verdoppelt. Seit zehn Jahren ist die Zahl aber konstant.
„Zum einen haben sich die Therapiemöglichkeiten verbessert, zum anderen sind die meisten positiv auf HIV getestete Menschen bereits in Therapie“, erklärt Viviane Bremer, Epidemologin am Robert-Koch-Institut. Somit sei die Gefahr, dass sie es weitergeben, geringer. „Nach der Therapie sind mit HIV infizierte Menschen so gut wie nicht mehr ansteckend.“
Ein Zusammenschluss von Betroffenen vom „Pro+ Netzwerk Positiv in Niedersachsen“ hat eine Broschüre zu ihrem Umgang mit der Krankheit entwickelt. Sie wollen andere positiv auf HIV getestete Frauen und Männer ermutigen, selbstbewusst mit ihrer Infektion umzugehen.
„Viele haben überhaupt keine Ahnung davon, dass man nicht mehr ansteckend ist“, sagt Kai Heinz. Der 39-jährige Krankenpfleger hatte 2014 die HIV-positiv Diagnose erhalten. Erschreckt habe ihn vor allem, dass es so gut wie keine Aufklärung mehr in der Schule gebe. „Am Anfang hatte ich große Angst.“ Mit der Arznei sei es aber sehr schnell deutlich besser geworden.
„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass heute ein gutes, erfülltes, zufriedenes Leben mit HIV möglich ist“, sagt Marian Künzel. Auch er engagiert sich im Pro+ Netzwerk. Jean-Luc-Tissot hat die Zeit noch mitbekommen, als es keine Medikamente gab. Sein Einsatz für das Netzwerk sei ein Ausdruck der Dankbarkeit, dass er noch lebe. Heute gehe es bei der Arbeit des Netzwerks vor allem um Lebensqualität. „Das alte Bild von Aids verfolgt uns“, sagt Tissot.
Sozialministerin Rundt forderte die Bürger zu Solidarität mit HIV-Infizierten auf. „Wir wollen entsprechende Rahmenbedingungen dafür schaffen – sie sind der beste Beitrag, mögliches Nichtwissen um die eigene Ansteckungsfähigkeit in verantwortungsvolles Handeln zu verwandeln, sagte sie.
Nach Angaben von Bremer haben jetzt mehrere Aufklärungskampagnen dazu beigetragen, dass sich mehr Menschen beim Geschlechtsverkehr mit Kondomen schützen. Das habe dazu geführt, dass die HIV-Fälle enorm gesunken seien. (dpa)
NOCH IMMER VIELE AIDSTOTE
Das wandlungsfähige Humane Immunschwächevirus (HIV) ist die Ursache für die Krankheit Aids. Es wird vor allem durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und infizierte Injektionsnadeln übertragen. Viele Tests für einen Impfstoff sind bisher gescheitert. Aids kostet mehr als eine Million Menschen im Jahr weltweit das Leben. Das Virus legt unter anderem bestimmte Immunzellen lahm. Deshalb kann das Abwehrsystem des Körpers Krankheitserreger wie Bakterien und Viren nicht mehr wirkungsvoll bekämpfen.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Celleschen Zeitung
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